In der Freizeitbranche ist ein Phänomen immer deutlicher spürbar: der Fachkräftemangel. Doch nicht nur das – auch die Verschiebung des Fokus innerhalb dieser Branche wird immer offensichtlicher.
Wir haben uns mit Michael Niederkorn, dem Geschäftsführer des N-Flow Freizeitparks in Netphen, unterhalten, um mehr über diese Entwicklungen zu erfahren.
Der Fachkräftemangel und die Fokusverschiebung in der Freizeitbranche sind Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine angepasste Personalpolitik und das Erkennen von neuen Trends sind dabei entscheidend für den Erfolg.
Gründer | BAEDER.TV
N-FLOW Freizeitpark Netphen
Sein treues Motto: „ON THE FLOOR“ + „NAH AM GAST“
Maurice Hobert:
Wer ist Michael Niederkorn?
Michael Niederkorn:
Mein Name ist Michael Niederkorn, ich bin im Januar 50 Jahre geworden, verheiratet und bin stolz eine bald erwachsene Tochter zu haben (aktuell 17,5 Jahre).
Seit meinen Eintritt in den Thermen-, Bäder- und Freizeitmarkt im Jahr 2003 als Geschäftsführer des größten Freizeitbades im Saarland, dem Calpyso (ca. 400 K Badegäste, davon ca. 90 K Saunabesucher) bin ich seit letztem März tätig als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer des Freizeitparkes N-FLOW in Netphen im Siegerland (5 km von Siegen entfernt).
Spannend ist hier die kontinuierliche Weiterentwicklung und die weitere Verantwortung neben den Bereichen Freizeitbad, Gastronomie, Sauna und SPA für die Bereiche Physiotherapie, Trampolinhalle und der beiden durch uns betriebenen Fitness- und Gesundheitsstudios mit jeweiliger unterschiedlicher Zielgruppe.
Maurice Hobert:
Thema – Fachkräftemangel | Mit welcher Strategie begegnest Du dieser Herausforderung?
Michael Niederkorn:
Reines Obst reichen, internen Gastronomie Konsum massiv zu rabattieren und flexible Arbeitszeiten reichen schon lange nicht mehr.
Natürlich haben wir in unseren Freizeitbetrieben nur begrenzte Möglichkeiten Home-Office anzubieten versuchen dies aber den Mitarbeitern bei denen das möglich ist natürlich auch zu ermöglichen. In der Natur unserer Betriebe liegt es halt, dass wir „nah am Gast“ und eher auf der Fläche sind als im Büro. Natürlich im Backoffice z.B. Buchhaltung, Verwaltung etc. ist eine flexible Home-Office Regelung üblich und diese bieten wir auch allen Mitarbeitern an.
Wir unterstützen unsere Mitarbeiter im Rahmen der Mobilität massiv. So steht ein Fuhrpark an Fahrrädern (analog und elektrifiziert) zur Verfügung um diesen auch in der Freizeit zu nutzen. So können unsere Mitarbeiter z.B. Klappfahrräder auch mit in den Urlaub nehmen oder eins unserer elektrifizierten Lastenräder auch mal für einen Wochenendtrip nutzen. Zusätzlich dazu haben die Mitarbeiter die Möglichkeit Fahrzeuge aus unser Elektroauto Flotte kostenfrei zu nutzen. Wir laden diese an unseren Wallboxen am Firmensitz so entstehen den Mitarbeitern auch keine zusätzlichen Kosten.
Fort- und Weiterbildungen sind ein entschiedenes Thema: Hier arbeiten wir hoch flexibel und gehen auf die jeweiligen Wünsche unserer Mitarbeiter sehr genau ein. So bekommt z.B. jeder unserer angestellten Rettungsschwimmer von uns die Möglichkeit auf Kosten des Unternehmens die Weiterbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe zu machen.
Ausbildung ist ein wichtiger Punkt: Unsere Azubis werden mit digitalen Endgeräten unterstützt, wir übernehmen die Fahrkosten zur Schule und bieten Ihnen vers. andere Arbeitgebernebenleistungen die wir auch unseren Festangestellten bieten.
Natürlich reicht es nicht mehr nur eine Weihnachtsfeier pro Jahr zu veranstalten, sondern wir führen regelmäßig Mitarbeiter Events durch, dass zur stetigen Mitarbeitermotivation beiträgt. Dies ist besonders wichtig um mit Ihnen nicht nur im lfd. operativen Tagesgeschäft intensiv im Gespräch zu bleiben.
Maurice Hobert:
Wie beurteilst Du momentan die Bäderbranche bezüglich der Sparmaßnahmen, fokussiert
auch auf die Gehälter der Mitarbeiter?
Michael Niederkorn:
Schwieriges Thema. Die Kosten nicht nur in Bezug auf Personal, sondern auch im Energiebezug und in der Gastronomie „laufen uns förmlich weg“. Auch durch die Inflation ist es z.B. einigen Saunagästen bei uns nicht mehr möglich wie gewohnt die Anlage mehrmals in der Woche zu besuchen, sondern die Gäste reduzieren Ihre Besuche. Uns ist es nicht möglich die Bezugskosten 1:1 weiterzugeben, d.h. das Defizit unserer Anlage steigt.
Die Wünsche der Mitarbeiter nach Gehaltserhöhungen sind verständlich, allerdings versuchen wir immer mehr variable Leistungskomponenten einzubauen, die in einigen Bereichen die wir betreiben besser umsetzbar sind als in anderen.
Lohnabschlüsse im TVÖD versuchen wir schrittweise mit in unser Vergütungsmodell zu übernehmen. Einen eigenen Haustarifvertrag gibt es nicht. Wichtig ist mir der Fokus alles Erdenkliche zu tun um unseren Mitarbeitern möglichst viel „netto“ zu bieten. Hierzu nutzen wir mittlerweile alle steuerrechtlichen Möglichkeiten voll aus.
Maurice Hobert:
Wie motivierst Du Dich und Dein Team?
Michael Niederkorn:
Viel „on the floor” sein und viel “lachen. Die Zeiten sind ambitioniert, aber wir arbeiten in einer abwechslungsreichen Branche und sind jeden Tag „nah am gast“
Wichtig ist für mich als Geschäftsführer auch – neben den klassischen Bürotätigkeiten – viel und intensiv „am Unternehmen“ zu arbeiten und nicht immer nur „im Unternehmen“. Der Austausch mit Branchenkollegen und den vers. Fachverbänden ist hier exemplarisch gemeint. Dieser ist sehr wertschöpfend, da ich hier „auf Augenhöhe“ mit anderen Betreibern im Gespräch und am Puls der Zeit bin.
Oft sind die Themen / Probleme in der jeweilig persönlich geführten Anlage nicht nur anlagenbezogen, sondern beschäftigen auch viele meiner Kollegen.
Maurice Hobert:
Was wärst Du Dir selbst als Fachangestellter für Bäderbetriebe wert?
Michael Niederkorn:
Ich möchte wertgeschätzt werden und bei meiner weiteren beruflichen Entwicklung aktiv unterstützt werden.
Mir ist es wichtig, dass ich als Dienstleister wahrgenommen werde und nicht nur als reine Aufsichtskraft. Die Themenbreite des Berufsbildes „Fachangestellter für Bäderbetriebe“ ist sehr groß und meine Berufskollegen und ich beschäftigen uns u.a. sehr viel mit technischen Themen, dem Regelwerk etc.
Auch der „Dienst am Gast“, das „kümmern“ wird immer wichtiger und ich kann die Wünsche der Mitarbeiter nachvollziehen auch hier gehaltlich „mitgenommen“ zu werden. Es sind einfach grundlegende andere Zeiten inkl. Fachkräftemangel und einer ganz neuen „Energiewelt“
Ich möchte hier keine fixe Größe nenne die ich mir „wert wäre“. Mir wäre neben den finanziellen Rahmendaten die Wertschätzung durch meine Vorgesetzen deutlich wichtiger und natürlich eine spannende und verantwortungsvolle Tätigkeit.
Maurice Hobert:
Welche Perspektiven bietest du Deinen Mitarbeitern gegenüber anderen Badbetreibern?
Michael Niederkorn:
Die Bandbreite unserer Dienstleistungen ist deutlich grösser. Bei uns können Mitarbeiter, die aus klassischen Bädern kommen auch Angebote wie die zwei vers. Fitnessstudios, die Trampolinhalle, als auch den Minigolf Platz z.B. in Ihrer Freizeit kostenfrei nutzen.
Wir sind ein familiäres Team und gehen auch so miteinander um. Auch in Zeiten in denen u.U. private Themen „aufpoppen“ gehen wir auf unsere Mitarbeiter ein und „kümmern uns hier“. Ob es mal ein kurzfristiger Sonderurlaub ist oder verkürzte Arbeitszeiten um den jeweiligen Mitarbeitern den Raum für Ihre privaten Themen zu lassen.
Sabbaticals etc. bieten wir auch an – je nach persönlichen Wünschen.
Maurice Hobert:
Die Neuordnung steht vor der Tür, was muss sich Deiner Meinung nach am Berufsbild ändern?
Michael Niederkorn:
Der Focus auf den Gast und die Dienstleistungsqualität muss mehr gesteigert werden wie oben bereits erwähnt.
Natürlich hat sich die gesamte Welt um uns Freizeitanlagenbetreiber stark verändert und der Focus des Berufsbildes hat sich immer mehr verschoben.
Der Gast nimmt die Fachangestellten oder Schwimmmeister immer mehr als Ihren pers. Ansprechpartner war, erwartet von diesem auch weitergehende Informationen über die reine Wasseraufsicht hinaus. Hierzu gehören – gerade in einer so breit aufgestellten Anlage wie der unseren – Informationen zu den jeweiligen Angeboten in den anderen Teilbereichen wie z.B. unserer Saunaanlage, der Trampolinhalle oder auch den angebundenen Fitnessstudios inkl. Physiotherapie.
Maurice Hobert:
Was müssen moderne Bäderarbeitsstätten ihren Mittarbeitern in der Zukunft bieten müssen?
Michael Niederkorn:
Kostenfreies WLAN, Kostenlosen und sicheren Parkplatz, Arbeitergeber Nebenleistungen wie Tankgutscheine etc.
Unsere Mitarbeiter erwarten einen immer höheren Digitalisierungsgrad, ordentliche und moderne Dienstkleidung auch eine gute Ausstattung in Bezug auf die IT.
So bieten wir unseren Mitarbeitern z.B. mit einer KI unterstützten Überwachung der Wasserflächen hilfreiche Unterstützung im Rahmen Ihrer Wasseraufsicht. Gerade mit den persönlich zugeordneten Uhren sind unsere Fachkräfte immer auf Stand über die jeweilige Besucherzahl in unseren Becken als auch mögliche besondere Vorkommnisse.
Das gibt ein gutes und sicheres Gefühl und wird von unseren Mitarbeitern sehr geschätzt.
Maurice Hobert:
Glaubst Du wir können die abgewanderten Fachkräfte wieder gewinnen und wenn ja wie?
Michael Niederkorn:
Wir kämpfen jeden Tag daran. Natürlich kommen wir auch in die missliche Situation z.B. in Starklastzeiten mit externen Dienstleistern zu arbeiten. Mit Präsenz in Schulen, Ausbildungsmessen und unseren Social Media Auftritten versuchen wir täglich neue Mitarbeiter zu akquirieren.
Natürlich müssen wir auch weiter daran arbeiten mit attraktiven Gehaltspaketen „spannend“ für den potentiellen Angestellten zu sein und auch im Vergleich mit anderen Branchen mithalten zu können.
Da unsere Betriebe, besonders in den Teilbereichen des Freizeit- und Sportbades stark defizitär sind ist dies nicht immer einfach.
Wichtig ist es die Gesellschafter unserer Betriebe, die in der Regel Kommunen oder Stadtwerke sind, mit ausreichend finanziellen Mitteln auszustatten um die Existenz unserer Betriebe nicht weiter zu gefährden.
Hier sehe ich auch die Politik gefordert hier entsprechend „wach zu werden“ und ihren Teil dazu beizutragen.
Maurice Hobert:
Vielen Dank, Michael, für die spannenden Einblicke in Deinen Betrieb und die aktuelle Entwicklungen in der Freizeitbranche. Wir sind gespannt, wie sich die Trends weiterentwickeln werden.“
„Der Fachkräftemangel und die Fokusverschiebung in der Freizeitbranche sind Herausforderungen, denen sich unsere Bäderbetriebe stellen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine angepasste Personalpolitik und das Erkennen von neuen Trends sind dabei entscheidend für den Erfolg.“
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Hallo Herr Klatte,
ich bin mit Ihrer Meinung d’accord…!
Im Interview eine Meinung dazu aus dem N- FLOW Freizeitpark in Netphen.
Viele Grüße nach Braunschweig…
Maurice Hobert
Hallo Herr Hobert, ein netter und interessanter Artikel, den Sie aus dem Interview mit Herrn Niederkorn gemacht haben.
Interessant vor allem durch die vielen Hinweise wie Mitarbeiter gewonnen, gehalten und belohnt werden.
Da hilft auch nicht der Hinweis, sich an geltende Finanzregeln zu halten. Klingt eher nach geldwerten Vorteil.
Nichts desto trotz sind die eingesetzten Mitarbeiter, durch Wertschätzung, vorallem vom Gast und auch vom Vorgesetzten, zufriedener zu stellen.
Vergütung ist sicherlich wichtig, aber vergänglich, da die Ausgaben mit der Höhe des Gehalts steigen. Vielmehr ist die Verlässlichkeit zur Einhaltung von Dienst- und Einsatzplänen wichtig. Auch das Ausführen der erlernten beruflichen Tätigkeit (z.B. Schwimmkurse geben und nicht vergeben an Fremdanbieter, Gleiches gilt für Wassergymnastik oder Spiel Spaß Angebote, Technik betreuen und warten, nicht an externe Fremdanbieter Outsourcing usw), Saunabetreuung ist sehr wichtig (wird sicherlich im reformierten Berufsbild enthalten sein), Physiotherapie oder Trampolin haben mit dem Beruf nichts zu tun.
Bitte auch an die vielen kommunalen Bäder denken, die oft nicht die finanziellen Mittel haben zur Modernisierung, Neuanschaffung oder den Beschäftigten über Tarif zu Entlohnung.
Vielmehr muss ein gesellschaftliches Umdenken einsetzen. Dies beginnt bei der Nennung des Berufes in der Öffentlichkeit. BADEMEISTER gibt’s schon lange nicht mehr. Die Kollegen sind Fachangestellte oder MEISTER für Bäder/Betriebe.
Unser Land benötigt handwerklich, Dienstleistungs bereite und nicht nur studierte Persönlichkeiten.
Unsere Betreiber von Bädern oder Freizeitanlagen benötigen auch eine entsprechende Zuverlässigkeit, von dem Kommunal- bis Bundestagsgremien. Förderzusagen nicht nach Haushaltslage sondern konsequent zuverlässig.
Die Bäder sind eine freiwillige Aufgabe einer Gemeinde, aber werden immer mit der Daseinvorsorge in Verbindung gebracht. Wichtiger wäre die Bäder als eine freiwillige Pflichtaufgabe der Kommunen zu betiteln.
Mit vielen Grüßen
Uwe Klatte